Deutschland hat gewählt. Mit der Veröffentlichung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses ist es nun an der Zeit das Modell zu evaluieren und Bilanz zu ziehen:
Deutlich zu sehen ist, dass die Ergebnisse aller Parteien innerhalb des Kofidenzintervalls des Modells liegen. Das bedeutet, dass das Modell alle Wahlergebnisse im Unsicherheitsbereich korrekt schätzen konnte. Ein guter Erfolg. Die Ergebnisse der Union und der FDP sind am genauesten vorhergesagt worden, während es bei der SPD, der Linke und der AfD recht große Abweichungen gibt. Durch die anfängliche Schwäche der SPD in den Umfragen und der Stärke der Grünen hat das Modell die SPD tendenziell unterschätzt, während die Grünen überschätzt wurden. Die hohen Verluste der Linkspartei wurden weder vom Modell, noch von dem Umfragen in dieser Höhe prognostiziert. Mit dem aktuellen Ergebnis befindet sich die Linkspartei zwar weiterhin im Konfidenzintervall aber sehr knapp am unteren Ende. Diese volatile Situation bis hin zur Wahl konnte von niemandem vorhergesehen werden.
Es zeigt sich aber, dass Umfragen eben nur die aktuelle Stimmung widerspiegeln und sich daher schnell ändern können. Daher ist der Modellansatz diese Schwankungen zunächst abzudämpfen durchaus richtig. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung des Modellfehlers über die Zeit verglichen mit dem Fehler der Umfragen:
Sowohl die Umfragen, als auch das Modell werden zunehmend präziser. Das Modell war jedoch in vielen Zeitabschnitten präziser, als die reinen Umfragen. Auch das ist ein Erfolg des Modellansatzes. Insgesamt zeigt sich eine sehr positive Bilanz für die Modellierung. Gerade auch die Möglichkeit Koalitionswahrscheinlichkeiten anzugeben ist eine große Stärke. Erwartbar die geringste Wahrscheinlichkeit für eine Mehrheit hatte rot-rot-grün und diese Koalition hat auch tatsächlich keine Mehrheit im Bundestag, wenn auch knapp.
Über die gesamte Laufzeit haben die Umfragen einen durchschnittlichen Fehler von 3,61%-Punkten; während das Modell nur einen Fehler von 3,48%-Punkten erzielte. Das ist damit knapp 5% besser.
Evaluation Erststimmenprognose
Die Erststimmenprognose war von deutlich größerer Unsicherheit geprägt, als die Zweitstimmenprognose. Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Union und SPD und ein möglicherweise verändertes Wahlverhalten zu Gunsten der Grünen vor Ort, erschwerte die Erststimmenprognose. Nur für 123 der 299 Wahlkreise konnten ein sicherer Vorsprung in der Prognose ermittelt werden. Die Karte zeigt die Wahlkreisergebnisse, die Modellprognose und die Abweichung der Prognose vom Ergebnis der stärksten Partei im Wahlkreis (Erststimme).
Prognose | Korrekt | Nicht-Korrekt | %-korrekt |
---|---|---|---|
Sicher (Vorsprung > 10%) | 106 | 5 | 95,5% |
Wahrscheinlich (Vorsprung >5% <10%) | 66 | 21 | 75,9% |
Tendenz (Vorsprung <5%) | 58 | 43 | 57,4% |
Insgesamt | 230 | 69 | 76,9% |
Insgesamt wurden 230 der 299 Wahlkreise korrekt vorhergesagt. Insbesondere die Wahlkreise für die eine sichere Prognose abgegeben wurde, wurden sehr präzise bestimmt. Hier ist die Genauigkeit über 95%. Besonders interessant ist die Stärke der Grünen in einigen Großstädte. In Frankfurt, Aachen, Bonn, Münster und Teilen von Hamburg haben die Grünen ein Direktmandat errungen. Hier hatte die Prognose die SPD vorne gesehen. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass sich das Wahlverhalten in Großstädten bei dieser Bundestagswahl zugunsten der Grünen geändert hat. Allgemein sind die Grünen damit außer in Baden-Württemberg bei den Erststimmen fast ausschließlich in den Großstädten stark.
Zusammenfassung
Im Angesicht des Ergebnisses der Bundestagswahl hat das Modell insgesamt sehr gut abgeschnitten. Über die Mehrheit der Zeit vor der Wahl war das Modell präziser, als die Umfragen alleine. Dies zeigt, dass das Modell einen tatsächlichen Vorteil bietet. Bei dieser Bundestagswahl waren die Umfragen volatiler als sonst. Noch im März hätte wohl niemand mit einem Wahlsieg der SPD gerechnet. Diese Veränderungen konnten vom Modell gut berücksichtigt werden. Zwar wurden so Union und Grüne leicht überschätzt, doch der Höhenflug der Grünen im Frühjahr schlug sich kaum im Modell nieder. Damit war das Modell zu diesem Zeitpunkt näher am Endergebnis als die reinen Umfragen. Mit der allgemeinen Schwäche der Union und dem Aufstieg der Grünen sind präzise Wahlkreisprognosen schwierig. Diese offene Situation wurde transparent kommuniziert. Dort wo das Modell eine klare Tendenz ableiten konnte, war die Prognose sehr genau.
Die Bundestagswahl 2021 zeigt, dass das Modell gut geeignet ist. Nun wird es spannend, wie die Koalitionsverhandlungen laufen werden. Nach diesem Fokus auf Wahlmodell und Methoden sollen nun ein paar Theorie-Beiträge rund um die Wahl und die Koalitionsbildung folgen.