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Umfragehoch und Erststimmenkarten – eine Modellprognose als transparente Alternative

In aktuellen Umfragen erreicht die AfD immer neue höchststände und liegt aktuell oftmals auf Platz 2. Das sorgt für viele Diskussionen, Aufregung und sei ein Zeichen für die schlechte Politik der Ampel. Doch Umfragen sind immer nur Momentaufnahmen und die nächste Bundestagswahl ist noch ein paar Jahre entfernt. Doch mit einem Wahlmodell lassen sich schon jetzt die Umfragen genauer an ein mögliches Wahlergebnis 2025 anpassen.

Wahlumfragen zur Bundestagswahl nehmen eine immer größere Rolle im politischen Diskrus ein. Wöchentlich werden neue Umfragen veröffentlicht und jedes politsche Ereignis wird sofort mit einem Blick auf die Umfragen kommentiert. Steigen die Umfragewerte der Partei durch die neue Personalentscheidung? Sorgt inhaltlicher Streit für ein Sinken der Umfragewerte? Jedes Prozent wird gefühlt kommentiert wie beim Fußball. Doch Wahlumfragen sind vor allem eins: Momentaufnahmen der aktuellen politischen Stimmung.

Als solche haben sie natürlich Relevanz, doch von einer aktuellen “Sonntagsfrage” auf ein Wahlergebnis zu schließen ist ungenau. “Stellen Sie sich vor am nächsten Sonntag wäre Bundestagswahl. Welche Partei würden Sie dann wählen?” So werden Fragen in Wahlumfragen in der Regel gestellt. Doch ein kleines Detail wird dabei gerne vergessen: am nächsten Sonntag ist nicht Bundestagswahl. Und so ist aktuell auch noch kein Bundestagswahlkampf, kein Duell der Spitzenkandidaten, keine intensiven Berichte über die Kanzlerkandidaten. Gerade im letzten Bundestagswahlkampf haben wir gesehen wie schnell sich die Stimmung drehen kann und wie so mancher Höhenflug einer Partei nur von kurzer Dauer war.

Daher wäre es falsch einfach nur die Umfrageergebnisse zu betrachten und damit auf die nächste Bundestagswahl zu schließen. Doch es gibt Möglichkeiten die Genauigkeit der Umfragen zu verbessern: Modellprognosen!

Politikwissenschaftler haben in der Vergangenheit immer wieder für Wahlen Wahlmodelle entwickelt, die zum Ziel haben das Wahlergebnis besser zu schätzen, als die reinen Umfragen. Auch hier habe ich zur Bundestagswahl 2021 eine solche Modellprognose entwickelt und veröffentlicht. Bisher wurden solche Modelle aber nur unmittelbar vor Wahlen eingesetzt. Doch auch aktuell haben Modellprognosen den Vorteil, dass sie kurzfristige Trends korrigieren und so genauere Ergebnisse liefern.

Aus diesem Grund habe ich das Wahlmodell der Bundestagswahl 2021 generalisiert und auf die aktuellen Umfrageergebnisse angewendet. Hier sollen nun regelmäßig Prognoseupdates veröffentlicht werden, um eine seriöse Alternative zu kurzfristigen Umfragebewegungen anzubieten. Auf Basis von wissenschaftlichen Modellen soll so transparent eine möglichst gute Schätzung der nächsten Bundestagswahl und der langfristigen politischen Stimmung im Land erreicht werden. Dazu kommt der Vorteil, dass mit Modellen Koalitionsmehrheitswahrscheinlichkeiten errechnet werden können. Auch für die 5%-Hürde ist dies spannend.

Wie genau war das Modell in der Vergangenheit?

Die Graphik zeigt sehr deutlich, dass die Genauigkeit von Umfragen kurz vor dem Wahltermin zunimmt. Das ist nicht überraschend, wird doch am Wahltag die aktuelle politische Stimmung für 4 Jahre in den Bundestag übertragen. Doch diese Erkenntnis ist relevant für den politischen Diskurs zwischen Wahlen. Aktuelle Umfragehöhenflüge können nur temporäre Erscheinungen sein und keinen wirklichen Einfluss auf die Mehrheiten im Parlament haben. Im Vergleich dazu ist die Modellprognose (in rot) in den meisten Fällen genauer als die aktuellen Umfragen. Die rote Linie verläuft mit wenigen Ausnahmen unter der schwarzen, die den durchschnittlichen Fehler der Umfragen anzeigt. Eine Modellprognose bietet also wirklich einen Vorteil insbesondere wenn die nächste Wahl noch einige Zeit entfernt ist.

Wie sieht die aktuelle Modellprognose aus?

Auch die aktuelle Modellprognose zeigt, dass die Regierungsparteien an Zustimmung verloren haben. Insbesondere die SPD und auch die FDP müssen aktuell mit weniger Sitzen im Bundestag rechnen. Für die FDP wird die 5%-Hürde ebenfalls wieder zu einer möglichen Gefahr.

Profitieren kann insbesondere die AfD. Ihr Anstieg fällt geringer aus, als in den aktuellen Umfragen zu vermuten ist, aber dennoch deutlich. Gering können auch Union und Linke mit Zugewinnen rechnen. Für die Linkspartei ist die 5%-Hürde eine reale Gefahr. Sie könnte mit ca. 50% Wahrscheinlichkeit aus dem nächsten Bundestag fliegen. Auch die Diskussionen über eine mögliche Wagenknecht-Partei werden der Linken sicherlich nicht helfen.

Und auf Wahlkreisebene?

Mit der Erststimme wird auch 2025 ein Direktkandidat im Wahlkreis gewählt. Durch die Reform des Wahlrechts zieht allerdings der Gewinner des Wahlkreises nicht mehr automatisch in den Bundestag ein, sondern ist auf genügend Zweitstimmen seiner Partei angewiesen. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die lokale Ebene:

Im Gegensatz zu anderen Karten, die aktuell auf Twitter für viel Aufmerksamkeit gesorgt haben, weil fast die halbe Republik einen AfD-Direktkandidaten wählen würde, zeigt sich, dass zwar die AfD einige neue Wahlkreise gewinnen könnte, der Anstieg aber weniger stark ist. Insbesondere kann die AfD laut Modellprognose keinen Wahlkreis in Westdeutschland gewinnen. Die CDU würde aktuell einige Wahlkreise in Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westphalen und Rheinland-Pfalz von der SPD erringen, während die Grünen weiterhin vor allem in urbanen Gebieten so wie in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein ihre Hochburgen haben.

Die Karte ist interaktiv und zeigt auch die Unsicherheiten an, da Prognosen auf Wahlkreisebene von großer Unsicherheit behaftet sind. Lokale politische Entwicklungen und die Kandidaten als Personen können einen signifikanten Einfluss auf das lokale Erststimmenergebnis haben, der sich so nicht aus gesamtdeutschen Umfragen ermitteln lässt.

Wie funktioniert das Modell nun?

Das verwendete Modell habe ich bereits für die Bundestagswahl 2021 verwendet und basiert auf einer vereinfachten Version von Gschwend et al. (2017). In zwei Blogbeiträgen habe ich erklärt wie das Modell genau funktioniert: